Muss ich bei einer Scheidung im Internet zu dem Gerichtstermin persönlich erscheinen?
Aufgrund des in Deutschland herrschenden Anwaltszwangs in Scheidungsangelegenheiten und allen daraus folgenden Verfahren muss also bei einem Scheidungsverfahren mindestens ein Rechtsanwalt anwesend sein, auch bei einer Scheidung im Internet. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme, aber wie sieht es mit den Eheleuten aus? Müssen sie wirklich immer und ausnahmslos persönlich im Gerichtssaal anwesend sein?
Das Scheidungsverfahren (auch bei Scheidung im Internet)
Am Ende einer Ehe steht in Deutschland eine Ehescheidung, die von einem Familienrichter am Familiengericht durchgeführt wird. Dies gilt auch für eine Scheidung im Internet. Damit es dazu kommt, muss von einem Ehepartner ein Scheidungsantrag gestellt werden, der dann von einem Rechtsanwalt an das zuständige Familiengericht weitergeleitet wird. Im nächsten Schritt wird der andere Ehegatte vom Gericht über den eingegangenen Scheidungsantrag informiert und der Antragssteller muss einen Vorschuss auf die Gerichtskosten leisten. Der andere Ehepartner muss nun auf den Scheidungsantrag reagieren und ihm zustimmen oder die Scheidung ablehnen und dem Gericht seine Entscheidung mitteilen. Zusätzlich schickt das Gericht beiden Ehepartnern Formulare, die ausgefüllt werden müssen und in denen es unter anderem um erworbene Rentenanwartschaften geht.
Tipp
Wer die Scheidung einreichen möchte, aber keinerlei finanzielle Mittel hat, um beispielsweise den Gerichtskostenvorschuss zu zahlen, der kann Prozesskostenhilfe beantragen.
Liegen alle erforderlichen Auskünfte beim Gericht vor, wird ein Scheidungstermin festgesetzt, zu dem üblicherweise beide Ehegatten sowie mindestens ein Rechtsanwalt erscheinen müssen. Wie gesagt, dies gilt auch für eine Scheidung im Internet. Der Rechtsanwalt muss anwesend sein, weil in Deutschland in Ehescheidungs- und allen daraus resultierenden Verfahren ein Anwaltszwang herrscht und eine Ehe ohne Anwalt nicht geschieden werden kann. Sind sich beide Ehepartner über alle wichtigen Fragen hinsichtlich des Unterhalts, des Sorge- und Umgangsrechts, der Aufteilung der ehelichen Besitztümer und andere wichtiger Dinge einig, so spricht man von einer einvernehmlichen Scheidung, bei der nur der Ehepartner, der die Scheidung eingereicht hat, durch einen Anwalt vertreten werden muss. Die Kosten für diesen Anwalt werden zwischen den Eheleuten aufgeteilt, so dass es sich dabei um die kostengünstigste Art der Scheidung handelt. Gibt es Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern, so müssen beide von einem Anwalt vertreten werden, so dass zwei Rechtsanwälte anwesend sein müssen.
Der Scheidungstermin selbst dauert meist nur etwa 15 bis 30 Minuten und im Verlauf des Verfahrens können beide Ehepartner durch ihre Rechtsanwälte Anträge stellen, um streitige Fragen zu klären. Der andere Ehegatte kann dem Antrag zustimmen, woraufhin ein Vergleich geschlossen wird, lehnt er den Antrag jedoch ab, muss der Scheidungstermin vertagt werden und die Verhandlung wird zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt. Kann es zu gar keiner Einigung kommen, wird ein neues Verfahren zu dem Streitpunkt eingeleitet, also beispielsweise ein Unterhalts- oder Sorgerechtsverfahren, in dem schlussendlich das Gericht eine Entscheidung fällen wird, wenn sich die Ehepartner nicht einigen können. Sind alle relevanten Fragen geklärt und erklären beide Ehepartner, dass sie geschieden werden wollen, wird die Ehe geschieden. Bei einer einvernehmlichen Scheidung geht das sehr schnell und die Scheidung ist üblicherweise nach fünf bis 10 Minuten vollzogen. Abgesehen davon ist bei einer Scheidung im Internet kein Gerichtstermin notwendig.
In diesen Ausnahmefällen müssen Sie nicht anwesend sein
Auf die Frage, ob die Eheleute bei einer Scheidung im Internet immer und ausnahmslos persönlich im Gerichtssaal anwesend sein müssen, lautet die Antwort „Nein“, doch was in welchem Fall möglich ist und unter welchen Umständen ein Ehepartner nicht zur Scheidungsverhandlung anwesend sein muss, kommt sehr auf den individuellen Einzelfall an. Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht sind eher selten, selbst bei einer Scheidung im Internet, und werden üblicherweise nur bei großer räumlicher Distanz zum zuständigen Gericht gewährt.
Tipp
Sind Sie verhindert, weit vom zuständigen Familiengericht entfernt oder haben sonstige Gründe, an der Verhandlung nicht teilnehmen zu können, sollten Sie Ihren Rechtsanwalt darüber informieren und ihn bitten, bei Gericht eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Der Anwalt wird Ihnen auch gleich sagen können, ob ein solcher Antrag Aussichten auf Erfolg hat oder ob der Grund aus dem Sie nicht zum Verfahren erscheinen möchten, nicht ausreichend für eine Ausnahmegenehmigung ist.
Lebt ein Ehegatte beispielsweise im Ausland und hat er dort seinen regelmäßigen Lebensmittelpunkt und geht dort seiner Arbeit nach, so sieht das Gericht in vielen Fällen davon ab, ihn dazu zu verpflichten, zum Scheidungstermin nach Deutschland zu reisen und persönlich im Gerichtssaal anwesend zu sein. Auch eine große räumliche Entfernung innerhalb Deutschlands kann ein Grund sein, nicht zum Scheidungsverfahren erscheinen zu müssen. Findet das Verfahren beispielsweise in Schleswig-Holstein statt, einer der Ehepartner ist aber nach der Trennung nach Bayern verzogen, so kann er beantragen, nicht persönlich zum Termin erscheinen zu müssen.
Ist ein Ehegatte zum anberaumten Scheidungstermin jedoch erkrankt oder im Urlaub, wird der Termin vom Gericht vertagt werden und die Verhandlung findet zu einem anderen Zeitpunkt statt. Erscheint ein geladener Ehegatte einfach nicht zum Scheidungsverfahren, ohne dass er eine Ausnahmegenehmigung vom Gericht erhalten hätte, so wird die Ehe an diesem Tag nicht geschieden, es findet vielmehr keine Verhandlung statt und es wird ein neuer Termin anberaumt. Dem nicht erschienenen Ehegatten werden die Kosten für den nicht zustande gekommenen Termin auferlegt und im Extremfall kann der Ehegatte zu dem Scheidungstermin auch zwangsvorgeführt werden, wenn er sich beharrlich weigert, an der Verhandlung teilzunehmen.
Alternativen zur persönlichen Anwesenheit
Entscheidet das Gericht, dass Sie bei dem Verfahren nicht persönlich anwesend sein müssen, so gibt es verschiedene Alternativen, wie Sie sich stattdessen äußern können. Zum einen kann ein anderes Gericht um Amtshilfe gebeten werden und der Ehepartner, der nicht persönlich im Gerichtsaal anwesend ist, äußert sich dort vor einem Richter. In anderen Fällen kann sich der nicht-anwesende Ehepartner auch schriftlich zu seinem Scheidungswillen äußern.
Die modernste und fortschrittlichste Methode ist es, den nicht anwesenden Ehepartner per Videokonferenzschaltung in den Gerichtssaal zuzuschalten, so dass er dort live der Verhandlung beiwohnen und an ihr teilnehmen kann. Leider verfügen noch längst nicht alle Gerichte über die entsprechende Technologie und auch aus datenschutzrechtlichen Gründen steckt die Methode noch in den Kinderschuhen. Aber somit wäre eine Scheidung im Internet auch wirklich zu 100% via Internet abzuwickeln.
Einmal hat es in Deutschland jedoch bereits eine Scheidung gegeben, bei der beide Eheleute nicht im Gerichtssaal anwesend waren, sondern per Videokonferenzschaltung zugeschaltet wurden. Diese Scheidungsverhandlung fand im Herbst 2014 in Erfurt statt und die beiden Ehepartner wurden aus Leipzig dem Gerichtssaal in Erfurt zugeschaltet. Die Ehe wurde in weniger als einer Viertelstunde geschieden und die Scheidung ist rechtskräftig. Die Regel ist eine solche Vorgehensweise jedoch noch längst nicht und diese "komplette Scheidung im Internet" war die erste und bislang letzte Scheidung in Deutschland, die komplett ohne die Anwesenheit der Eheleute im Gerichtssaal durchgeführt wurde. Für die Zukunft könnte dieses Modell jedoch durchaus richtungsweisenden Charakter haben, denn die Gerichte könnten so viel Zeit und Geld sparen. Neben der Technik spielt vor allem der Datenschutz eine große Rolle, wenn Gerichtsverfahren in Zukunft per Videokonferenzschaltung durchgeführt werden sollen.
Fazit zu "Persönliche Anwesenheit bei einer Scheidung im Internet"
- Eine Ehe wird in Deutschland immer in einer Verhandlung am Familiengericht geschieden.
- Im Normalfall müssen dabei beide Ehegatten sowie mindestens ein Rechtsanwalt anwesend sein.
- In Ausnahmefällen kann es jedoch möglich sein, dass Sie nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend sein müssen.
- Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise gegeben sein, wenn Sie sich zum Zeitpunkt der Scheidung im Ausland aufhalten.So ließe sich eine reine Scheidung im Internet umsetzen.
- Anstatt selbst im Gericht anwesend zu sein, können Sie sich entweder schriftlich äußern, oder das zuständige Familiengericht bittet ein anderes Gericht um Amtshilfe und Sie äußern sich dort.
- Im Herbst 2014 wurde in Deutschland die bisher erste und einzige Ehescheidung vollzogen, bei der beide Ehegatten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend waren.